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Das Auto zieht sich aus Stadt und Agglomeration zurück



Neue Produkte und Dienstleistungen verändern und erweitern die Sichtweise auf Transportmittel und deren Gebrauch. Es steht nicht mehr ausschliesslich die Fahrt von A nach B im Fokus, sondern die harmonische Verbindung von Arbeit, Wohnen und Freizeit.

Die Mobilität der Zukunft zeichnet sich durch ihre Pragmatik, Nachhaltigkeit, Vielfalt und Erlebnisqualität aus. Dieser Wandel bestimmt das künftige Gesicht von Städten und Dörfer – auch in der Schweiz.

Worum es geht

Die Mobilität nimmt global zu, auch in der Schweiz. 2023 waren in der Schweiz 6,4 Mio. Fahrzeuge angemeldet. Verglichen mit dem Jahr 2000 bedeutet dies eine Zunahme von 41 Prozent. Mehr als zwei Drittel (69%) der Tagesdistanz wurden 2021 mit dem Auto zurückgelegt. Auch die SBB verzeichnet regelmässig neue Rekorde – die Zeit während der Pandemie ausgenommen.

Mobilität rückt nun mehr als je zuvor in den Fokus des gesellschaftlichen und räumlichen Wandels. In einer zunehmend vernetzten (Wissens-)Gesellschaft formt sich ein neues Verständnis von Mobilität, welches dem Auto seine traditionelle Rolle als Statussymbol zunehmend entzieht.

Pandemie als Beschleunigerin des Wandels

Schon vor der Corona-Pandemie fuhren immer mehr Schweizerinnen und Schweizer Velo. Die Pandemie und die damit verbundenen Mobilitätseinschränkungen feuerten den Bike-Boom weiter an. Insbesondere akkubetriebene E-Bikes trumpfen in der Schweizer Topografie auf. Dank ihnen sind längere Wege und Steigungen kein Problem mehr. Sie machen damit dem Auto auf Kurzstrecken Konkurrenz.

Jüngere Generation will erleben, statt besitzen

Die Zahl an jungen Menschen mit Fahrausweis sinkt seit den 90ern deutlich. Denn auch für diese Generation hat das Statussymbol Auto seinen Reiz verloren. Auch sonst entscheiden sich Menschen immer öfter gegen Besitz, den sie als Einschränkung empfinden. Sharing-, Leasing- und Abo-Modelle wachsen deshalb rapide. Dies ermöglicht einen flexiblen Zugang zu einer breiten Palette an Mobilitätsformen. Das Auto wird zunehmend situationsbezogen und als ein Verkehrsmittel unter vielen eingesetzt.

Warum das wichtig ist

Die Verkehrsinfrastruktur beansprucht heute in der Schweiz rund 2% der Landesfläche und 30% der Siedlungsfläche. Im 20. Jahrhundert wurde die Infrastruktur von Städten und Dörfern vor allem auf das Auto ausgerichtet. Die Folge: Hohe Umweltbelastungen und überlastete Strassen.

Doch seit einiger Zeit zeigt sich ein neuer Trend: Parkflächen werden reduziert oder unter die Erde verschoben, in Zentren finden sich vermehrt Mischnutzungen und verkehrsberuhigte Räume, wo sich Fussgänger, Velofahrerinnen und Autos dieselben Flächen teilen.

Der öffentliche Raum als Begegnungsort

Dies führt zu einem lebendigeren Strassenbild. Plätze, Quartiere, aber auch ganze Dörfer gewinnen an Lebensqualität. Der öffentliche Raum kann seine Funktion als Begegnungsort wieder zurückgewinnen. Und auch der Einzelhandel profitiert davon.

Die Mobilitätswende spielt eine Schlüsselrolle

Bund und Kantone schaffen nun Vorgaben, welche diesen Wandel beschleunigen. Denn das Reduktionsziel der Treibhausgasemissionen wurde für 2020 knapp verfehlt. Bis 2030 will die Schweiz ihre Emissionen halbieren, bis 2050 strebt der Bundesrat Netto-Null-Treibhausgas-Emissionen an. Um die Emissionen im Einklang mit diesen Zielen zu vermindern, braucht es die Ausschöpfung aller technischen Potenziale, die Dekarbonisierung der Wirtschaft sowie die Schaffung von Rahmenbedingungen, die einen nachhaltigen Alltag ermöglichen. Die Mobilitätswende spielt dabei eine essenzielle Rolle.

Enisa Fejzo
«Im Zeitalter der Klimakrise gewinnt nachhaltige Mobilität zunehmend an Bedeutung. Unternehmen sind gefordert, ihren Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.»
Lea Oberholzer

«Für das Gelingen eines nachhaltigen und nahtlosen Mobilitätssystems wird die „letzte Meile“ immer mehr zum kritischen Nadelöhr, sowohl für private als auch für geschäftliche Zwecke.»

Wie es weitergehen kann

Unsere Lebens-, Wohn- und Arbeitsräume werden attraktiver und gesünder und verschmelzen miteinander. Mobilität steht im Zentrum dieser Transformation, als Bindeglied am Übergang vom fossilen zum postfossilen Zeitalter, vom lauten zum leisen, vom unsicheren zur sicheren Siedlungsraum. Die Mobilität von morgen wird pragmatisch, nachhaltig, abwechslungs- und erlebnisreich.

Der Kanton Waadt als Beispiel konsequenten Vorgehens

Im Kanton Waadt zeigte eine Studie auf, dass allein die Mobilität für durchschnittlich 41% der CO2-Emissionen verantwortlich ist. Die Stadt Lausanne verabschiedete daraufhin im Jahr 2021 einen ambitionierten Plan: Um bis 2030 die Klimaneutralität zu erreichen, sind im Bereich Mobilität zahlreiche Massnahmen vorgesehen: Fussgängerzonen im Stadtzentrum, neue Infrastrukturen für aktive Mobilität, ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs mit reduzierten Preisen und weitere mehr.  

Am meisten Aufmerksamkeit weckte allerdings das Verbot von Verbrennungsmotoren bis 2030. Die Stadt ist der Ansicht, dass diese Frist realistisch und notwendig ist, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. 

Ländliche Gebiete folgen mit gutem Beispiel

Auch in den Dörfern verändert sich das Strassenbild. Der Kanton Aargau beispielsweise entwickelte für seine Gemeinden im Rahmen der «Stossrichtung III» der kantonalen Mobilitätsstrategie eine «Anleitung für Ortsdurchfahrten». Sie beschreibt Gestaltungsgrundsätze und zeigt anhand von realisierten Projekten auf, welche gestalterischen Möglichkeiten zur Aufwertung einer Ortsdurchfahrt bestehen. In anderen Kantonen finden sich ähnliche Beispiele.

Neue Konzepte unterstützen die Verkehrswende

Mit dem gesellschaftlichen Wandel und veränderten Arbeitsverhalten entstehen neue Bedürfnisse. Die heutigen «Nomaden» beispielsweise wünschen sich vermehrt sogenannte «Mobilitäts-Hubs». Dies sind öffentlich zugängliche Orte, an denen gemeinsam genutzte Verkehrsmittel zur Verfügung stehen. Dies kann im Kleinen starten: Sharing-Velos oder E-Scooter, die an einer Bushaltestelle oder am Bahnhof bereitstehen. 

Diese Verkehrsmittel erlauben es, die «letzte Meile» zu überbrücken. Aber auch Ruftaxis und autonome Minibusse steigern in ländlichen Gebieten die Autonomie – übrigens auch jene der älteren Generationen. Es zeigt sich, dass solche Massnahmen wichtige Beiträge zur Verkehrswende liefern.  

Fazit: Mobilität im Wandel

Die Schweizer Verkehrs- und Mobilitätslandschaft ist in Bewegung. Entwicklungen einer autozentrierten Gestaltung des 20. Jahrhunderts in den urbanen Räumen werden nun nach und nach korrigiert. Ein Bedeutungswandel des öffentlichen Raums findet statt. Nicht mehr der Parkplatz vor der Tür geniesst die höchste Priorität, sondern die urbane Lebensqualität. Spontane Treffen, flexibles Arbeiten oder einfach nur spontanes Verweilen werden zum ausschlaggebenden Faktor. Co-Working-Spaces, aber auch öffentliche Räume wie Restaurants, Bibliotheken und Bahnhofterminals werden zentrale Orte des Lebens und des Arbeitens.

Je mehr wohnen, arbeiten und Freizeit ineinander fliesst, desto flexibler wird die Mobilität. Immer weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leben in einer Realität mit Fünftagewoche und Anwesenheitspflicht im Büro zu fixen Geschäftszeiten. Insbesondere in städtischen Gebieten und Agglomerationen kann die Nutzung des Autos eher zum Hindernis werden.

In den ländlichen Gebieten hingegen spielt das Auto weiterhin eine grössere Rolle. Hier stellt vor allem die «letzte Meile» – also der Weg vom Bahnhof oder von der Bushaltestelle nach Hause – eines der grossen Hindernisse dar. Dies kann mit Sharing Angeboten, Park+Ride Flächen, Ruftaxis und kleinen Ortsbussen überbrückt werden. Sobald autonom fahrende Minibusse flächendeckend zur Verfügung stehen, kann auch diese Lücke geschlossen werden. Unterdessen können Mobilitäts-Hub-Konzepte im periurbanen Raum mehr Flexibilität und Komfort gewährleisten.